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Zu Sinn und Bedeutung unserer Klage gegen die Kernkraftwerkhersteller

Einführung

Am 11. März 2011 löste das Tohoku-Erdbeben und der nachfolgende Tsunami im Kernkraftwerk Fukushima I eine Unfallkette aus, die zu eine der grössten nuklearen Katastrophen in der Geschichte der Menschheit führte. Die entstandenen immensen Schäden bleiben, ohne wesentliche Anzeichen für eine Behebung oder Wiederherstellung, bis zum heutigen Tage bestehen.

Wenn der Auslöser der Unfallserie im AKW Fukushima I und damit der durch sie entstandenen Schäden,wie der begründetete Verdacht besteht, in Defekten innerhalb des Reaktors lag, sollten die Hersteller des Reaktors selbstverständlich die rechtliche Verantwortung übernehmen.

Mit diesem Gerichtsverfahren wollen wir klarstellen, dass auch für die Hersteller von Kernkraftwerken die rechtliche Pflicht der Produkthaftung gelten muss. Gleichzeitig sollen die Herstellerfirmen des Kernkraftwerks Fukushima I zur Verantwortung gezogen werden .

Dabei stehen wir vor einigen spezifischen, in der Struktur des gegenwärtigen Rechtssystems begründeteten, Schwierigkeiten. Gerade dies gibt der Klage gegen die Kernkraftwerkhersteller ihre ausserordentliche Bedeutung. An dieser Stelle, kurz vor Prozessbeginn, möchten wir Ihnen im Folgenden einen Überblick über die wesentlichen Punkte der Klage geben.

No-nukes Rights

Wir sind der Meinung, dass bei einem Atomkraftwerk-Unfall, wie der, der im März 2011 in Fukushima stattfand und den Ausgangspunkt dieser Klage bildet, die Gesetze des Produkthaftungsrechts(Product Liability Law, PL) sowie des allgemeinen Zivilrechts auf die Atomkraftwerkhersteller angewendet werden müssten, um so diese Hersteller für nachweisbare Gesetzesverstösse zur Verantwortung zu ziehen. Die Atomkraftwerkhersteller sind aber in der Tat durch das Atomhaftungsgesetz( CND Act) per se von jeder Verantwortung für etwaige Atomkraftwerks-Unfälle oder Störfalle und die daraus entstehenden Schäden freigestellt. Die Haftungspflicht wird laut Atomgesetz allein auf den Betreiber der atomaren Anlage übertragen(in unserer Klage TEPCO), der die gesammte rechtliche Verantwortung übernimmt.

Alle anderen Beteiligten am Produkt "Atomkraftwerk" werden gesetzlich aus der Verantwortung entlassen. Aufgrund dieser besonderen rechtlichen Situation könnte unsere Klage bei ausschliesslicher Argumentation auf Grundlage der Produkthaftung vor Gericht einfach abgelehnt werden, auch wenn die Hersteller von Fukushima I sich gravierende Fehler und Mängel zu schulden kommen liessen. Diese im gegenwärtigen Rechtssystems festgelegte Freistellung der Kernkraftwerk-Hersteller von der Verantwortung, auch bei Kontruktionsfehlern im Reaktor oder anderem Eigenverschulden, kann im Hinblick auf das Allgemeinwohl nur als im höchsten Grade unvernünftig angesehen werden. Solange diese Art von Gesetzgebung bestehen bleibt, ist weiterhin zu befürchten, dass beim Reaktorbau Kostenfaktoren Vorrang vor Sicherheit haben.

Wir sind der Überzeugung, dass der im Atomhaftungsgesetz festgeschriebene Ausschluss der Kernkraftwerkhersteller von ihrer rechtlichen Verantwortung einen Verstoss gegen die japanische Verfassung darstellt und daher für ungültig erklärt werden muss. Im Mittelpunkt unserer Auffassung steht dabei "No-nukes Rights", das Recht des Einzelnen auf eine nuklearfreie Umwelt, nach unserer Auffassung ein neues fundamentales Menschenrecht, für dessen gesetzliche Anerkennung wir kämpfen. Auf die spezifische Situation in Japan bezogen, sind wir der Meinung, dass dieses neue Recht aus der japanischen Verfassung abgeleitet werden kann.

Allgemein gesagt, kann die Erklärung eines neuen Grundrechts, wie sie aufgrund veränderter Lebens- und Umweltsbedingungen notwendig wird, indirekt durch die Berufung auf Inhalte der japanischen Verfassung, wie zum Beispiel das in Artikel 13 festgelegte "Streben nach Glück", geschehen. Ein auf diese Weise in Gerichtsprozessen de facto anerkanntes neues Persönlichkeitsrecht, erfolgreiche Beispiele in jüngerer Zeit sind etwa das Recht auf Schutz der persönlichen Ehre oder auf Schutz der Privatsphäre, wird auf diese Weise allmählich im japanischen Rechtssystem als neues Grundrecht etabliert und gesellschaftlich anerkannt.

Wir sind heute an einem Punkt angelangt, an dem das ganze Ausmass der durch Kernwaffen und Kernenergie verursachten Katastrophen und Unfälle überdeutlich geworden ist. Es gibt keinen vernünftigen Grund mehr, länger in Furcht vor Kernenergie leben zu müssen. Die Bedrohung durch Kernenergie zurückzuweisen, das Recht auf eine nuklearfreie Umwelt einzufordern, ist längst mehr als nur eine persönliche Einstellung oder Überzeugung. "No-nukes Rights", das Recht auf eine nuklearfreie Umwelt, ist ein von uns einzuklagendes, neues Recht, das für Menschen auf der ganzen Welt gelten sollte!

Wir beabsichtigen daher "No-nukes Rights" als einGrundrecht einzufordern, das wir aus der japanischen Verfassung ableiten. Dabei berufen wir uns auf den oben erwähnten Artikel 13(Schutz der Würde und Rechte des Einzelnen), insbesondere auf das Recht auf Freiheit des Einzelnen, dass auch das Recht, sich gegen unnötige Massnahmen des Staates zur Wehr zu setzen, umfasst und auf das Anspruchsrecht in Artikel 25 der japanischen Verfassung(Existenzrecht der Bürger und Aufgabe des Staates). Wenn das Recht auf eine nuklearfreie Umwelt vor Gericht anerkannt werden kann, könnte auf dieser neu geschaffenen gesetzlichen Basis nicht nur der Ausstieg aus dem Atomprogramm in Japan erstritten werden oder auch die Durchführung wiederholt verschobener konkreter Hilfsmassnahmen für die Opfer der Fukushima- Atomkatastrophe. Auch weit über die Grenzen Japans hinaus würde das zweifellos zu einer grossen Antriebskraft für die Anti-Atomkraftbewegung werden.

Produkthaftungsübertragung

Das Prinzip der Haftungsübertragung auf die Kernkraftwerkbetreiber bildet, festgelegt in diversen Atomgesetzen und internationalen Abkommen, die rechtliche Schadensersatz-Grundlage für atomare Unfälle in der ganzen Welt. Anders gesagt, den Herstellern von Kernkraftwerken wird damit ein System zur Verfügung gestellt, das es ihnen möglich macht, sich, freigestellt von jeglicher Verantwortung für etwaige Fehler oder Mängel ihrer Produktes, völlig auf die Herstellung von Kernreaktoren und die dadurch entstehenden enormen Profite zu konzentrieren. Wie aus dem oben genannten leicht deutlich wird, ist eigentlicher Plan und Ziel dieses System der Haftungsübertragung das weltweite, ungezügelte Wachstum der Atomenergie und ihrer Profiteure.

Unsere Klage fordert die rechtliche Verantwortung der Kernkraftwerkhersteller GE, Toshiba und Hitachi für ihr Produkt, Fukushima I, ein. Damit nehmen wir den Kampf auf gegen das Herzstück des gesetzlich geschützten und geförderten weltweiten Nuklearestablishment-Netzwerks - die Freistellung der Hersteller atomarer Anlagen von jeglicher rechtlichen Verantwortung. Wir bitten Sie um Ihre Unterstützung und hoffen, dass sich unser Kampf gegen die herrschende Atomgesetzgebung in den kommenden Jahren zu einer internationalen Bewegung ausweiten wird.

Wir stehen vor einem extrem wichtigen und äusserst schwierigen Rechtsstreit. Wir, die Rechtsanwälte dieser Klage, halten es für unsere moralische Pflicht, diesen Prozess zu führen und werden alles in unserer Macht stehende Tun, um der Klage zum Sieg zu verhelfen.

Wir danken Ihnen für Ihr Verständnis und Ihre Kooperation.

Akihiro Shima, Rechtsanwalt, Ko-Leiter der Rechtsanwaltsgruppe